Die Verwandlung

nach Franz Kafka
Fassung Denise Carla Haas

Gregor Samsa Peter Neutzling
Grete Jennifer Sabel
Vater Winni Wittkopp
Mutter Tanya Häringer
Prokurist / Zimmerherr Gregor Henze
Anna, Dienstmädchen Claudia Bill

Regie Denise Carla Haas
Ausstattung Neda Loncarevic
Dramaturgie Sven Kleine
Licht Mario Liesler
Ton Jennifer Weeger
Regieassistenz Astrid Gruber
Dramaturgieassistenz Anna Gubiani
Dramaturgiehospitanz Antonia Bill
Einspielung Violine Boguslaw Lewandowski
Fotos Mario Heinritz

Premiere 24. Januar 2008 20 Uhr im Theater in der Garage, Theater Erlangen, Erlangen, www.theater-erlangen.de
Weitere Vorstellungen 26.01.|27.01.|29.01.|30.01.|31.01.|12.02.|13.02.|14.02.|28.02.|29.02.|01.03.|02.03.|03.03.2008 


Interview von Sven Kleine mit Denise Carla Haas Dezember 2007
Als Regisseurin und Leiterin der Theater-Compagnie „Le Théâtre L.“ in Lausanne hast Du bereits die Kafka-Erzählung „Ein Hungerkünstler“ auf die Bühne gebracht. Zudem wird Dein nächstes Theater-Projekt der „Bericht an eine Akademie“ sein – ebenfalls ein Text von Kafka. Was reizt Dich an der Theatralisierung von Kafkas Werken, insbesondere der „Verwandlung“?
Kafka war vom Theater fasziniert, aber er hatte - die Versuche im Tagebuch ausgenommen - dieses Medium nicht ausgeschöpft. Die Theatralität, die seinen Texten innewohnt, und die Frage nach deren szenischen Umsetzung reizen mich. Bei „Ein Hungerkünstler“ habe ich mit verschiedenen Faktoren gespielt: Die Darstellung eines Hungerkünstlers ist unmöglich, so habe ich mich entschieden, den Text als Ganzes zu belassen. Der Text wurde vorgetragen, die Figur des Hungerkünstlers so vorgestellt. Vor, während oder nach dem Textteppich schaffte ich entweder assoziative Szenen, die mit dem Essen und mit dem Hungern zu tun haben, die den Hunger unserer Gesellschaft darstellen, oder Varianten der vorgelesenen Szenen, die gewollt anders als die der Erzählung waren. Somit entstand eine Spannung zwischen Text und Bild, das unfassbare Hungern stand dazwischen. Der Reiz in „Die Verwandlung“ ist die Frage nach der Darstellung des Ungeziefers, oder, und dies ist mir besonders wichtig, die gegenläufige Verwandlung von Gregor Samsa und der Familie.

Als Autorin zeichnest Du auch verantwortlich für die Stückfassung „Die Verwandlung“, die Du für die Inszenierung am Theater Erlangen geschrieben hast. Welche inhaltlichen und formalen Aspekte waren Dir bei der Adaptation eines Prosatextes für die Bühne besonders wichtig?
Wichtig ist mir, keine Abbildung eines Ungeziefers auf die Bühne zu bringen. Meine Angst, dieses Bild erschöpfe sich rasch, ist zu gross. Die Szenen sind so angelegt, dass nicht nur die Verwandlung Gregors gezeigt wird, sondern auch die der Familie. Alle anderen Figuren entwickeln sich, während Gregor verfällt. Sie werden stark, machtbesessen, böse oder schwach, und entpuppen ihr wahres Ich, das in der Folge als mögliche Ursache für die Verwandlung Gregors angesehen werden könnte. Gregor verliert, um es einmal drastisch zu formulieren, die Fähigkeit, weiterhin wie früher zu funktionieren. Dies eröffnet ihm die Zustände, in denen er gelebt hat, und eine andere Seite seiner eigenen Familie, die nun ans Licht tritt.

Kafka bedient sich in der „Verwandlung“ eines uralten mythologischen Motivs, nämlich das der Metamorphose eines Menschen (Gregor Samsa) in ein Tier (ein Käfer). Wie verstehst Du diese Verwandlung und wie gedenkst Du, sie auf der Bühne szenisch zu lösen. Der Handlungsreisende Gregor Samsa in „Die Verwandlung“ wird zum Ungeziefer und der Affe Rotpeter in „Bericht an eine Akademie“ zu einem Menschen. Wo beginnt das Tier, wo hört der Mensch auf, und umgekehrt? Steht der Mensch mit seinem Bewusstsein über dem Tier oder eben gerade das Tier mit seiner Unschuld über dem Menschen? Diese Frage tritt in den Geisteswissenschaften immer wieder auf, sie lässt dem Menschen keine Ruhe.
Die Verwandlung Gregors ist für mich kein Absinken zum Tier, sondern erst einmal ein Zeichen, das eine Veränderung seiner Funktionsweise darstellt. Denn Gregor Samsa hat menschliche Züge: Er denkt. Die körperliche Gestalt des Ungeziefers könnte also auch nur eine Behauptung sein, vielleicht die Beschimpfung eines Menschen, der sich seinen Trieben hingibt oder der sich aufgibt. Bei der Umsetzung gehe ich vom Menschen aus: Ein Mensch verwandelt sich und ist für seine Umgebung nicht wieder erkennbar. Durch dessen Verwandlung verwandelt sich sein Umfeld.

Kafka selbst hat einmal geschrieben: „Das Komische ist das Minutiöse“. Dieser formale Aspekt der verzerrten „Brennglasoptik“ macht vielleicht zusammen mit den grotesk-absurden Situationen und der alptraumhaften Atmosphäre das aus, was wir gemeinhin „kafkaesk“ nenne. Welchen Weg siehst Du, diese Charakteristika der kafkaschen Prosa und ihre Wirkung mittels Schauspiel zu erzeugen? Welche ‚Spielweise’ erfordert Kafka von den Schauspielern?
Oh, das weiss ich vor der Arbeit mit diesem Text nicht. Ich habe Ahnungen, werde sicherlich von einem sehr genauen Spiel ausgehen, das aber sonderbare Zeichen – dies können Haltungen oder Handlungsweisen sein - voraussetzt, die nicht unbedingt erklärt, sondern einfach behauptet werden. Die Figuren schwappen an gewissen Punkten über, und mit ihnen die Situationen. In dieser Übertreibung entsteht eine groteske Spannung zur Ausgangslage, die dem Begriff ‚kafkaesk’ sicherlich nahe kommt. Die Situation ist nicht logisch lösbar oder erklärbar. Sie versandet im Nichts. Manche greifen zu dem Wort ‚abstrakt’, um zu erklären, was sich ihnen entzieht. In „Die Verwandlung“ führt die Unlösbarkeit der Situation zu Gregors Verschwinden, zu seinem verfrühten Tod. Er löst sich auf. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen vielleicht in einem Missverständnis: Gregor glaubt, von der Familie geliebt zu werden, durch die Verwandlung entdeckt er, dass sie ihn nur gebilligt hat.


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